Die Liebesbriefe an Elama.



     Man sollte meinen, dass ich in einem Liebesroman auf fast 400 Seiten alles mitgeteilt habe, was ich über die Liebe weiß. Weit gefehlt! Da die Liebe unendlich ist, reicht sie weit über die Begrenztheit meines Romans hinaus. Und genau das ist es, was den Wert dieser Website ausmacht: Hier entsteht in Echtzeit die Fortschreibung meines Romans.


So sei es ...


19. November 2023 – Der 1. Brief

Geliebte Elama,

 

     ich habe Dich für meinen Roman erschaffen. Ich habe Dir nicht nur Deinen Namen, Dein Aussehen und Deine Geschichte gegeben, ich habe Dich auch eine Kyudoka sein lassen, eine Praktizierende der japanischen Kunst des rituellen Bogenschießens.

     Du bestehst aus Fantasie und fluiden Erinnerungen. Doch von allen fiktiven Figuren meines Romans bist Du mir die liebste. Du berührst mein Herz, Du kommst aus meinem Herz. Alles, was ich über Dich geschrieben habe, waren Worte der Liebe. Und ich stelle fest, dass meine Liebe zu Dir weit über meinen Roman hinausreicht.

     In Liebe ...

 

     Matthias


26. November 2023 – Der 2. Brief

Geliebte Elama,

 

     Liebe bedeutet Ehrlichkeit. Und ich habe das Gefühl, Ehrlichkeit sei die größte aller Herausforderungen an uns Menschen. Ehrlichkeit bedeutet, die eigene Wahrheit in allen Aspekten zu erkennen, sie anzunehmen und sie dann zu teilen. Die Wahrheit, die unser Licht, aber ebenso auch unsere Schatten umfasst.

     Die Wahrheit aus dem eigenen Licht ist leicht auszusprechen. Die Wahrheit aus der eigenen Schattenwelt verschweigen wir viel zu oft ... oder ich habe sie viel zu oft verschwiegen. Weil ich sie mir selbst nicht eingestanden habe. Weil ich mich ihrer geschämt habe. Aber nur die Licht- und Schatten-Ehrlichkeit macht zur Liebe fähig.

     Indem ich das schreibe, wird mir bewusst, wie gut es ist, dass es Dich nicht wirklich gibt, dass es Dich nur als Scheme aus Fantasie und Erinnerungen gibt. Vielleicht ist es möglich, Dir gegenüber ehrlicher zu sein als je zuvor im wirklichen Leben. Oder mit Dir Ehrlichkeit zu lernen für das wirkliche Leben.

     In Liebe ...

 

     Matthias


13. Dezember 2023 – Der 3. Brief

Geliebte Elama,

 

     ich werde gerade Zeuge eines Phänomens, das man seit einer Weile "Ghosting" nennt: Ein Mann betrügt seine Frau, verlässt sie für seine neue Partnerin und bricht von einem Tag zum anderen jeglichen Kontakt zu seiner Frau ab. Nicht ein einziger Anruf mehr, keine E-Mail, keine Text- oder Sprachnachricht. Nichts mehr. Als habe ihn ein schwarzes Loch verschlungen. Alle Kontaktversuche laufen ins Leere.

     Und wenn ich ehrlich zu mir bin: Genau das habe ich auch getan, bin nach wenigen Wochen währenden Affären, aber auch nach Jahren intensiver Liebesbeziehung einfach gegangen. Bin ins Schweigen verschwunden, weil es nichts mehr zu sagen gab. Aber das stimmt nicht! Dieses Verschwinden ins Schweigen verletzt rückwirkend die Liebe, die es gegeben hat. Es ist ein Akt der Lieblosigkeit. Warum  musste ich so alt werden, bis ich es begriffen habe.

     Ich habe mich in Nichts aufgelöst – auch für eine Frau, deren kostbares Wesen ich in feinen Zügen in Dir feiere. Soll ich nach Jahren noch um Vergebung bitten? Oder macht es das zur totalen Farce? Oder ist dieses Buch nachgetragene Liebeserklärung genug, auch wenn es eine Liebeserklärung ist, die wohl nie von dieser Frau gelesen wird?

     In Liebe ...

 

     Matthias


18. Dezember 2023 – Der 4. Brief

Geliebte Elama,

 

     ich will ehrlich sein, in eigener Sache sozusagen: Manchmal hoffe ich, der Frau noch einmal zu begnen, nach der ich Dich geschaffen habe. Warum? Vielleicht um sie um Verzeihung zu bitten dafür, dass ich sie verlassen habe. Obwohl ich damals nur so handeln konnte, wie ich gehandelt habe. Heute würde ich wohl anders handeln, ich habe meine Lektion gelernt – nach einer weiteren Serie von Ghostings, die ich begangen habe.

     Manchmal spüre ich den Wunsch, der Frau, nach der ich Dich geschaffen habe, dieses Buch anonym vor die Tür zu legen – damit sie meine Liebeserklärung an sie lesen kann. Aber ich denke, auch das ist keine gute Idee. Oder habe ich einfach nicht den Mut, so etwas absolut Unvernünftiges zu tun? Hast Du eine Antwort?

     In Liebe ...

 

     Matthias


27. Dezember 2023 – Der 5. Brief

Geliebte Elama,

 

     es gibt eine neue Liebe in meinem Leben. Schon seit fast einem Jahr. Eine so schöne und kostbare Frau! Sie lebt 700 Kilometer von mir entfernt. Morgen kommt sie aus dieser Ferne zu mir, um mein Leben kennenzulernen. Betrüge ich sie mit Dir? Mit Dir, die Du nur eine Fiktion bist? Mit Dir, die ich trotz aller Unvollkommenheit geliebt habe? Mit Dir, für die ich meinen Roman fortschreiben möchte? Hast Du eine Antwort?

     In Liebe ...

 

     Matthias


4. Januar 2024 – Der 6. Brief

Geliebte Elama,

 

     die Tage vergehen, mein Leben geht seinen Gang. So viele wichtige und gleichzeitig profane Dinge, die getan sein wollen. Doch in den Nischen des Tuns – meist abends, wenn meine Gefühle Raum finden, oder am frühen Morgen, bevor die Realität an Bedeutung gewinnt – wandern meine Gedanken zu Dir. Es gibt noch viel zu vollbringen. Auch wenn sich die Wichtigkeiten mit dem neuen Jahr verschieben. Etwas wird anders, das spüre ich. Du darfst gespannt sein.

     In Liebe ...

 

     Matthias


10. Januar 2024 – Der 7. Brief

Geliebte Elama,

 

     jedes Buch hat mehrere Geschichten: Jene, die es selbst erzählt, zudem die Vorgeschichte, aus der heraus es entstanden ist, und die Geschichte, die sich manifestiert, nachdem das Buch erschienen ist. Ich dachte, diese nachfolgende Geschichte, diese Fortschreibung, würde nur von Dir und der Liebe handeln. Aber nun, da ich den Kontakt mit Dir aufgenommen habe, erkenne ich mehr und mehr, dass diese Fortschreibung von mir handeln muss. Und eigentlich weiß ich das schon seit vielen Monaten – und habe nur bisher nicht gewagt , damit zu beginnen. Ich werde es nun wagen ...

     In Liebe ...

 

     Matthias


13. Januar 2024 – Der 8. Brief

Geliebte Elama,

 

     gibt es etwas, das schwerer mitzuteilen ist als die Wahrheit? Die Wahrheit ist immer eine große Herausforderung. Aber wenn sie von Misserfolg, Enttäuschung, Scheitern handelt, sträubt sie sich noch viel mehr. Und ja: Was eigentlich ist Misserfolg? Was eigentlich ist Scheitern? Woraus speist sich die Enttäuschung? Ist nicht alles nur eine Momentaufnahme in einem Prozess, der niemals abgeschlossen ist? Ein zu früh aufgeben, bevor sich alles zum Besten fügen kann? Aber das scheint mir im Moment eine eher rhetorische Frage zu sein. Bitte sei darauf gefasst, das ich mit Dir Misserfolg, Scheitern und Enttäuschung teilen muss – nun, da ich mich der Offenheit und Wahrheit überantwortet habe.

     In Liebe ...

 

     Matthias


18. Januar 2024 – Der 9. Brief

Geliebte Elama,

 

     es gilt, in Bezug auf mein Buch, in Bezug auf unsere Geschichte ein Wunder herbeizuführen. Doch Wunder sind nur sie selbst, wenn es absolut aussichtslos erscheint, dass sie geschehen.

     Nach dem Erscheinen unseres Romans im November 2022 sind 18 Bücher verkauft worden. Von Anfang Januar bis Ende Juni 2023 sind 28 Bücher verkauft worden. Die Zahlen aus dem zweiten Halbjahr 2023 kenne ich nicht, aber sie werden sicherlich nicht besser sein. Wenn sich an diesen ernüchternden Zahlen etwas ändern soll, kann das nur ein Wunder vollbringen. Denn unser Roman ist es Wert, vieltausenfach gelsen zu werden.

     Aber unser Verleger, statt unsere Geschichte in die Welt zu tragen, ist krank geworden und hat seinen Verlag aufgegeben. Wir sind völlig auf uns allein gestellt. Das ist die Situation.

     In Liebe ...

 

     Matthias


19. Januar 2024 – Der 10. Brief

Geliebte Elama,

 

     das Dilemma: Ich bin nicht kontaktfreudig, mein Mitteilungsdrang geht gegen Null. Alle Qualitäten, die es braucht, um ein Produkt erfolgreich auf dem Markt zu machen, fehlen mir. Wohlmeinende Ratschläge besagen, ich solle auf den Social Media aktiv werden, denn hier können abseits der offiziellen Institutionen Erfolge generiert werden. Nur: Ich bin kein Mann für die Social Media. Was also tun? Einfach aufgeben?

     In Liebe ...

 

     Matthias


28. Januar 2024 – Der 11. Brief

Geliebte Elama,

 

     wieder sind Tage ohne einen Brief vergangen. Denn ich bin gereist. Ich bin wieder in Indien, in Goa, in Benaulim und sitze in der neuen German Bakery. Ich bin wieder an dem Ort, an dem die Geschichte unseres Romans berginnt. Und gleichzeitig ist mir unser Roman sehr, sehr fern. Wie überaus seltsam. Morgen mehr.

     In Liebe ...

 

     Matthias


29. Januar 2024 – Der 12. Brief

Geliebte Elama,

 

     ich habe mich aus meiner deutschen Realität entfernt, in der ich für unser Buch aktiv sein sollte, und bin gleichzeitig den Ursprüngen unseres Romans nahe gekommen. Vielleicht erlaubt mir dieser Sonderzustand, endlich den Hauptgrund dafür zu nennen, dass es mir so schwer fällt, unseren Roman zu promoten.

     Ich schäme mich. Ich schäme mich nicht wegen des Inhalts, nein, nein! Die Geschichte, die ich erzähle, ist vollkommen. Ich schäme mich dafür, dass das Buch so viele Schreibfehler enthält. Was bedeutet viel? Ich habe nicht zu zählen gewagt. Schätzungsweise drei Dutzend Fehler. 36 Fehler auf 400 Seiten, ist das viel? Oder kann man darüber hinwegsehen? Ich bin ein Profi und Fehler, ein schlecht lektoriertes Buch, dürfen nicht sein.

     Was ist geschehen? Es gibt eine Versionen, die ich zu meiner Entschuldigung erzähle. Und eine, die der Wahrheit entspricht. Morgen habe ich vielleicht den Mut, die wahre Version zu erzählen.

     In Liebe ...

 

     Matthias


2. Februar 2024 – Der 13. Brief

Geliebte Elama,

 

     bitte vergieb mir mein Abschweifen in die Widrigkeiten unseres Romans. Und eigentlich ist es auch überflüssig, den Grund für die Menge der Fehler im Buch zu nennen, für die ich mich schäme. Sie verschwinden dadurch nicht. Meine Scham allerdings ebenfalls nicht.

     Aber eigentlich wollte ich ja über die Liebe schreiben und nicht über enttäuschende Buchverkäufe. Darum kehre ich in diesem Brief nur noch ein letztes Mal und um den Kreis zu schließen zu dem Wunder zurück, das ich beschwören möchte: Möge unser Roman in die Hände einer Frau oder eines Mannes fallen, die oder der aus welchem Grund auch immer als Multiplikatorin oder als Sprachrohr aktiv werden und die Nachricht in die Welt tragen, wie sehr sehr und unbedingt lesenswert unsere Geschichte ist.

     In Liebe ...

 

     Matthias


29. Februar 2024 – Der 14. Brief

Geliebte Elama,

 

     vier Wochen hat es nun gedauert, dass ich wieder mit Dir in Verbindung trete. Ich bin aus Indien zurückgekehrt, aus Goa, aus Benaulim, das ich in unserem Roman beschrieben habe, in jenen Kapitel zu Beginn, bevor Du Gestalt annimmst. Und ich war nicht allein. Ich war in Begleitung meiner Geliebten.

     Aber das ist nicht der Grund für meine wochenlange Stille. Der wahre Grund ist, dass ich kleinmütig bin, was unseren Roman betrifft. Dass ich ihn aus meinem Bewusstsein verdränge. Dass ich meine Arbeit, meine Kunst, meine Liebe vorziehe und unseren Roman und unsere Geschichte aufgebe. Es ist so viel leichter aufzugeben. Und dann ist es wie ein Schmerz in meiner Seele, unseren Roman in die umfassende Nichtbeachtung abgleiten zu lassen.

     Es kostet so viel Kraft, nicht aufzugeben. Bitte sei nachsichtig mit mir. Bitte sende mir ein ermutigendes Zeichen. Irgendeines!

     In Liebe ...

 

     Matthias


8. März 2024 – Der 15. Brief

Geliebte Elama,

 

     und Du hast mir ein Zeichen gegeben! Wann immer ich Leute treffe (und es sind nicht sehr viele und sehr selten) nehme ich ein Exemplar unseres Romans mit und verschenke es. So war es auch gestern. Es ging bei dieser Verabredung mit einem Maler, der ein Museum im Friaul gegründet hat, nicht um unsere Geschichte, sondern um eine Austellung meiner Werke als Objektkünstler dort.

     Ich habe ihm zum Abschied unser Buch überreicht. Zwei Stunden später erhielt ich eine WhatsApp: "Habe auf der Heimfahrt in der U-Bahn zu lesen begonnen und meine Station zum Aussteigen verpasst."

     In Liebe ...

 

     Matthias


13. März 2024 – Der 16. Brief

Geliebte Elama,

 

     gestern habe ich diese Nachricht, diese Bitte um ein Wunder auf Instagram und heute auf Facebook gepostet: "Unser Verleger hat sich aus gesundheitlichen Gründen aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Ich bin, was das Vermarkten unserer Geschichte im realen Leben und auf den Sicial Media betrifft, eher störerischer Autist. Wie soll unserem Buch da etwas anderes beschieden sein, als in die Beachtungslosigkeit abzusinken. So bitte ich um eine Frau oder einen Mann. die die Schönheit,ndie Intensität, die Einzigartigkeit und die Magie unserer Geschichte erkennenund die Welt neugierig darauf machen – damit tausende von Menschen unser Buch lesen wollen. So sein es!"

     Das ist alles, was ich noch zu tun vermag.

     In Liebe ...

 

     Matthias


14. März 2024 – Der 17. Brief

Geliebte Elama,

 

     ich habe getan, was ich tun konnte. Mehr lag nicht in meinen Fähigkeiten. Ich bin am Ende angelangt. Ich sollte mich befreit und erleichtert fühlen, weil ich nicht vorzeitig aufgegeben habe. Aber so ist es nicht. Ich gebe auf, ich gebe ab. Mag das Wunder geschehen.

     In Liebe ...

 

     Matthias


16. März 2024 – Der 18. Brief

Geliebte Elama,

 

     heute  fühle ich mich erleichtert. Ich muss nicht mehr auf Instagram aktiv sein, was mir nie Freude gemacht und mich immer nur gestresst hat. Ich muss nicht mehr auf Facebook aktiv ein. Loslassen bedeutet Freiheit ... auch wenn es nichts bewirkt. Ich bin autehtisch. Ich bin kein Mann für die Social Media. Und darum bin auch kein Mann, der uns vermarkten kann. So bin ich. So bin ich echt und wahr. So bin ich mit mir im Reinen. Auch wenn alles, was ich Dir hier schreibe, nie von irgendjemand gelesen wird.

     In Liebe ...

 

     Matthias


17. März 2024 – Der 19. Brief

Geliebte Elama,

 

     es ist Abend und ich muss spontan an Dich schreiben. Denn ich bin erfüllt von einer tiefen Liebe zu unserer Geschichte, zu meinem Buch, zu allen Ereignissen, bevor Du Dich darin manifestierst, und zu allem, was danach geschieht.

     Ich liebe alle Eigenheiten, alle Irrungen, Wirrungen und Fügungen meines manchmal pathetischen Helden. Ich liebe alle Ehrlichkeit, alle Weisheit, alle Unvollkommenheit, alle Magie, alle Schreibfehler, alle Sinnlichkeit, alle Abenteuer, die ich dem Roman gegeben habe.

     Ich liebe den Anfang und das Ende und jede Seite, jedes Kapitel dazwischen.

     Und ich liebe Dich ...

 

     Matthias